Erkenntnisgewinn beginnt meist mit dem intensiven Studium eines Objektes aus nächster Nähe. Im Falle von Umweltveränderungen verhält es sich genau andersherum: Erst der Blick aus dem Weltraum lässt den Beobachter großflächige Zusammenhänge erkennen und verstehen. Bei der GAF AG ist der Blick daher stets von oben auf unsere Erde gerichtet.
Von Monika Rech-Heider
Markus Probeck ist bei der Münchner GAF AG für die strategische Geschäftsentwicklung zuständig. Die Geschäftsstrategie der GAF mit ihren rund 230 Mitarbeitenden hängt, genau wie die berufliche Entwicklung des Erdbeobachtungsspezialisten, unmittelbar mit dem Blick aus dem Weltall zusammen. Seit über zwanzig Jahren richtet der 46-jährige Geograph als Spezialist für das Europäische Erdbeobachtungsprogramm Copernicus und für Umweltmonitoring seinen Blick darauf, wie Satellitenbilder dabei unterstützen, globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel zu begegnen, den dramatischen Verlust von Biodiversität und tropischen Wäldern messbar zu machen und zu verstehen- und letztlich wirksam zu bekämpfen.
Notfallhilfe aus dem All
Der Emergency Management Service (EMS) als einer von sechs thematischen Diensten des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus ist in diesen Tagen im Dauereinsatz. „Aktivieren nationale Zivilschutzbehörden der EU-Mitgliedstaaten den „Rapid Mapping Service“ im Falle von Natur- oder Mensch gemachten Katastrophen, werden sofort alle relevanten Satellitenbetreiber informiert, um möglichst schnell aktuelle Aufnahmen der jeweils betroffenen Weltregionen zu liefern“, so Probeck.
Die Aufnahmen der höchstauflösenden optischen Satelliten mit bis zu 30 Zentimeter Bildauflösung in Kombination mit Radaraufnahmen stehen in der Regel innerhalb weniger Stunden bereit. Innerhalb kürzester Zeit erstellt ein Bereitschaftsteam präzise Karten, die einen schnellen Überblick über das Ausmaß der Katastrophe geben. Die GAF ist mit ihren Mitarbeitenden Teil des aus führenden europäischen Firmen bestehenden „Rapid-Mapping-Teams“, das im Auftrag der Europäischen Kommission rund um die Uhr im Einsatz ist, um bei Katastrophen größerer Tragweite innerhalb weniger Stunden ein aktuelles Lagebild zu erstellen.
Auch im Falle des verheerenden Jahrhunderthochwassers 2021 im Ahrtal sowie bei mittlerweile mehr als 600 Katastrophenereignissen weltweit kam das Team in den letzten zehn Jahren zum Einsatz. „Der Rapid Mapping Service von Copernicus ist international höchst renommiert und wird weltweit auch nach Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Stürmen und Überschwemmungen oder auch zur Beobachtung großer Flüchtlingsbewegungen aktiviert. Gerade stehen vor allem die Waldbrände in ganz Europa im Visier der EMS-Schnellkartierung“, betont Probeck. „
Bild 1: Waldbrände in Frankreich, südlich von Archachon, veröffentlicht am 21.07.2022. Quelle: © Copernicus Programme
Neben der Kartierung aktueller Gefahrensituationen spielen auch die Nachsorge, die Vorbereitung auf mögliche zukünftige Gefahrenlagen und die Planung und Überwachung des Fortschritts von Wiederaufbaumaßnahmen eine wichtige Rolle im Copernicus Emergency Management Service.
Entwaldungen stoppen
Die Erdbeobachtung gilt als eines der wichtigsten Werkzeuge im Kampf gegen die ungebremste Kohlenstofffreisetzung durch Abholzung und Brandrodung von tropischen Waldflächen. Das gemeinsam von den Vereinten Nationen und der Welternährungsorganisation FAO getragene REDD+ Programm (Reducing Emmissions from Deforestation and Forest Degradation) unterstützt 65 Länder weltweit beim Schutz ihrer Regenwälder.
Die GAF ist seit langem in das Programm involviert: Schon seit 2007 hat das Unternehmen erste Pilotanwendungen entwickelt, um vor allem zentralafrikanischen Staaten dabei zu helfen, ihre historischen und aktuellen Entwaldungsraten zu bestimmen, den Erfolg von Waldschutzmaßnahmen zu messen und damit letztlich den Weg zu Kompensationszahlungen für vermiedene Entwaldung aus dem REDD+ Programm zu ebnen. „Solche Kompensationszahlungen sind nach heutigem Kenntnisstand einer der wirksamsten Anreize, um die im Pariser Klimaschutzabkommen festgelegten Klimaschutzziele, unter anderem durch Vermeidung von Entwaldung und damit verbundener Kohlenstofffreisetzung, zu erreichen“, fügt Probeck hinzu.
Auch das internationale Programm LULUCF
(Land Use, Land Use Change and Forestry) zielt auf den Erhalt von Wäldern als Kohlenstoffsenken ab. Daran beteiligt sind unter anderem die Mitgliedsstaaten der EU sowie die EU-Kommission. In diesem Kontext erstellt die GAF zusammen mit Partnern hochgenaue Zeitserienkartierungen zu Landnutzung und Landbedeckung in Europa und liefert diese an die Europäische Umweltagentur (EUA), die die Veränderungen von Landnutzung und Landbedeckung und die damit verbundenen Veränderungen der Kohlenstoffspeicherung in Europa beobachtet.
CLC Backbone
„Seit einigen Jahren erleben wir, nach einer längeren Periode der stetigen Zunahme von Waldflächen in Europa einen deutlichen Rückgang der Baumbestände. Das liegt besonders an den extremen Hitzeperioden der letzten Jahre und damit einhergehender Bodenaustrocknung, Schädlingsbefall und Waldbränden“, erklärt Probeck. „Das können wir aus dem All sehr genau verfolgen.“
Bodenbewegungen erkennen, Schäden vermeiden
Nicht nur akute Naturkatastrophen, sondern auch langsame Bodenbewegungen können eine Gefahr für Bevölkerung und kritische Infrastruktur darstellen. Solche für Menschen in der Regel nicht direkt wahrnehmbaren Bewegungsprozesse werden beispielsweise durch langsame Hangrutschungen, Tektonik, Bergbau oder geothermische Nutzung ausgelöst. Absenkungen des Untergrundes und entsprechende Schäden an Gebäuden, Verkehrswegen, Brücken und anderer kritischer Infrastruktur können die Folge sein.
Mit Erdbeobachtungsmethoden wie der satellitenbasierten Radar-Interferometrie (InSAR) können solche Bodenbewegungen großflächig, kosteneffizient und mit hoher Präzision erkannt werden. Durch entsprechende Zeitreihenanalysen von Radar-Aufnahmen lassen sich komplexe Bewegungsmuster untersuchen und zur Bewertung von natürlichen Georisiken, zur gezielten Gefahrenabwehr oder auch für Risiko- und Schadensanalysen in der Stadt- und Verkehrsplanung und der Versicherungswirtschaft nutzen.
Der vor kurzem veröffentlichte European Ground Motion Service (EGMS), an dem die GAF in einem Konsortium führender europäischer InSAR-Firmen beteiligt ist, nutzt die kontinuierlichen Aufnahmen der Copernicus Sentinel-1 Satelliten. Dieser Dienst erweitert den Copernicus Land Monitoring Service (CLMS) um ein neues und einzigartiges europaweites Produkt. „Mit Hilfe vieler aufeinander folgender Radar-Satellitenaufnahmen können horizontale und vertikale Bewegungen der Erdoberfläche im Millimeterbereich pro Jahr sichtbar gemacht werden“, so Probeck. „Wir als Unternehmen verwenden diese frei verfügbaren Copernicus-Produkte dann auch zur Erstellung weiterführender Dienste für lokale und spezialisierte Anwendungen.“
Bild 3: Bodenbewegungen (vertikal in mm) am Tagebau Hambach im Ortho-Produkt des EGMS © Copernicus Programme.
Bild 4: Markus Probeck, Chief Business Development & Sales Officer GAF AG.
Die GAF zeigt auch in diesem Jahr auf der INTERGEO ihr gesamtes Portfolio, inklusive ihrer neuesten, innovativen Highlights. Probeck abschließend: „Wir sind froh, seit vielen Jahren zu den Ausstellern der INTERGEO zu gehören und freuen uns darauf, unsere Kunden, Partner und Freunde vom 18. bis 20. Oktober in Essen wiederzusehen.“